Rollenspiele sind für mich eine Möglichkeit, zusammen mit Anderen packende Geschichten zu erschaffen und auszuschmücken. Ich liebe den Moment, in dem im Spiel etwas passiert, was vor meinem inneren Auge eine Szene wie aus einem guten Film ablaufen lässt.
Aus dem Zusammenspiel mit Charakteren, die von anderen Spielerinnen und Spielern oder dem Spielleiter kontrolliert werden, entsteht eine besondere Dynamik. Oft sind es gemeinsame Beschreibungen oder Ideen, die einer Situation bemerkenswerte Details verpassen, an das sich noch Jahre später alle erinnern. Der Spielleiter, der sich die Rahmenhandlung der Geschichten entweder ausdenkt oder ein fertiges Konzept umsetzt, hat dabei viel Freiheit und Möglichkeiten und gibt die Atmosphäre und das Setting vor.
Er ist quasi Regisseur des eigenen Films; allerdings muss er mit einem Team von Improvisationskünstlern arbeiten, die das Drehbuch gar nicht kennen und ihre eigenen Ideen vor Augen haben. Trotzdem hat mir die Arbeit als Spielleiter immer viel Spaß gemacht, wenn alle das gleiche Bauchgefühl haben, in welche Richtung die gemeinsam gesponnene Handlung gehen soll. Die Spieler erhalten für ihre Charaktere im Spiel als regeltechnische Belohnung bessere Ausrüstung und neue oder bessere Fähigkeiten.
Das ist aber nur der vordergründige Anreiz zum Spielen. Die eigentliche Herausforderung für mich ist das, was passiert, wenn ich nach dem Spielen das Geschehene Revue passieren lasse und mir überlege, wie „mein“ Charakter das Erlebte verarbeitet. Hat er etwas gelernt? Eine neue, prägende Erfahrung gemacht? Wurde er in Vorurteilen bestätigt oder musste er außerhalb seiner gewohnten Muster denken? Wie wird ihn das in Zukunft beeinflussen? Beim nächsten Treffen kann ich darauf aufbauen und die Entwicklung in die Richtung lenken, die ich am realistischsten, dramatischsten oder unterhaltsamsten finde. Oder ich mache einfach das, was in einem Film oder Buch cool wäre. Unabhängig davon, ob ich als Spieler oder Spielleiter dabei bin, sind Rollenspieltreffen für mich auch immer ein Treffen mit Freunden.
Wenn man sich dabei die ersten zwei Stunden nur unterhält, Pizza isst und zusammen Bier trinkt, ist das auch gut. Aber spätestens, wenn alle satt und zufrieden sind, wird filmreif die Welt gerettet. Oder wenigstens die Handlung ein bisschen weiter gesponnen.