Shadowrun: Der heilige Gral (Seattle 8.8.2076)
Shadowrun: Der heilige Gral
Auburn, Seattle, 08.08.2076, 10:07 Uhr
Es gibt diese Tage, an diesen fühlt man sich nicht nur komplett nutzlos, sondern versteht auch einfach kein Wort. Dabei lief eigentlich alles bisher nach Plan. Francis Gale Hadson zu finden und zu beschützen, stellt sich bisher als deutlich leichter als gedacht dar. Dazu ist er sogar noch nett. Vielleicht hätte ich Personenschützer werden sollen.
Und nun das. Seit Stunden philosophiert vor allem dieser Ikarus mit einer – wie er sagt – KI. Mal ist sie in einem Computer, mal in einer Drohne, versteht nichts, lernt sehr schnell und niemand weiß, was sie kann, wie gefährlich sie ist, und was wir mit ihr machen sollen. Und ich verstehe einfach kein Wort. Klar kenne ich KIs, aber dass diese so geboren werden, scheinbar aus dem Nichts und dann scheinbar alles werden können, ich schimpfe nicht oft, aber was für eine Scheiße. Phoenix versteht glaube ich fast genau so wenig wie ich, diskutiert aber fleißig mit, aber nun ist er schon eine Weile Besorgungen machen. Und Ikarus tüftelt in der Werkstatt.
Was für eine Erleichterung, dass Francis Gale sich in diesem Trailerpark ebenfalls langweilt und mir deren Gruppenauftragskonto als Fenster überträgt.
Aber was sind das bloß für Aufträge.
„Extraktoren gesucht.
Ein Team der Naora International Corporation macht Probleme und soll aus dem Spiel genommen werden.“
Hier sehe ich meine Priorität. Jagt doch schließlich diese Organisation Francis Gale. Aber der Vorschlag, sich dem zu jagenden Team anzuschließen und gegen Naora vorzugehen konnte nicht überzeugen. Francis Gale wittert eine Verschwörung.
„Du willst hoch hinaus?
Aktuelle Raumpläne der FTL Technologie Fabriken in der Forschungsstation Camelot gesucht. Infiltration vermutlich notwendig.“
Hier kommt doch auf einmal Phoenix wieder dazu. „Ins All wollte ich immer schon einmal“. Alter Schwede, der hat auch nicht alle Latten am Zaun. Und wenn wir die Pläne haben, Fallschirm auf und runter da. Ein Glück ist Francis Gale hier vernünftig. Und kaum überstimmt, ist Phoenix schon wieder weg. Gesagt hat er nichts.
„FW: Gralssuche
Bitte besorgen sie unauffällig einen einfachen Holzkelch aus dem Archiven der Illuminati of the New Dawn am Ufer des Clear Lakes.
(von Chippie weitergeleitet)“
Francis Gale sagt, Chippie sei vertrauenswürdig. Der Mr. Johnson war wohl schon einige Male bei ihr. Aber ob je ein Team wieder gekommen ist, will er nicht fragen. Wie soll ich ihn so beschützen? Und dann ist er auf einmal auch noch komplett naiv. Eben wittert er eine Verschwörung und nun, wo ihn alle Gallahad nennen, will er auf einmal den heiligen Gral suchen und glaubt nicht an eine Falle. Das wird verflucht noch einmal nicht einfach werden ihn zu beschützen.
Wir haben Koordinaten eines Parkhauses erhalten und sollten dort sofort den Mr. Johnson treffen. Inzwischen scheine ich der Fahrer zu sein. Dabei kann ich nicht einmal richtig fahren. Aber auf dem Parkdeck wird uns automatisch ein Parkplatz zugewiesen. Und da kommt auch schon der Johnson. Und tatsächlich scheint es sich um einen magischen Kelch zu handeln, in einer Außenstelle des New Dawn südlich von hier. Nachts soll wenig los sein, tagsüber soll es da nur so von Magiern wimmeln. “Nachts alles ruhig”, das sagt doch jeder verdammte Mr. Johnson. Oh nein, jetzt verhandelt Francis Gale einfach. Mit seiner verlorenen Seele schafft er nie, da etwas Gutes herauszuschlagen.
3.000 Nuyen, 3.000!!!! Mindestens 5.000 wären angebracht gewesen. Oh, da ist Phoenix. Saß er die ganze Zeit auf meiner Rückbank und hat geschlafen? Diese KI hat mich vollends verwirrt.
Die Koordinaten haben wir, ein Bild vom Kelch haben wir, es ist nachmittags, also hin da und alles beobachten.
Mein Vorschlag, etwas weiter entfernt zu parken und zu Fuß zu gehen, wird einstimmig angenommen. Na gut, ich habe einfach geparkt. Es handelt sich um ein großes fensterloses Gebäude, das ähnlich aussieht wie der alte Reichstag in Berlin, nur dass der viel Glas hatte. Nein, das wusste ich nicht. Phoenix merkt das gerade an. Aber er hat recht. Woher weiß der Mann nur so etwas?
Zwei Kameras sind zu sehen und einige Wesen, die das Grundstück bewachen. Vor dem Grundstück gibt es zwei Kameras, und etwas entfernt Parkplätze. Hier gibt es ein ständiges Kommen und Gehen über die Stunden. Mit solchen Magierorden konnte ich mich noch nie anfreunden. Allerdings bin ich mir ziemlich sicher, dass die Illuminati eine sehr künstlerische Gemeinde sind.
Jetzt fragt Francis Gale doch tatsächlich was wir machen, wenn es der echte Kelch ist und Phoenix merkt an, dass das nur jemand mit einer reinen Seele den Kelch greifen kann. Bin ich das? Auf jeden Fall bin ich in Einklang mit mir.
Würde Francis Gale doch nur einmal hinter mir bleiben. Ständig stürmt er voraus!
Jetzt können wir uns nicht einigen. Jemanden am Parkplatz abfangen und seine Keycard klauen, jemanden direkt beim Verlassen des Gebäudes überwältigen oder ein Auto verfolgen. Keine Lösung scheint perfekt zu sein. Phoenix sieht überall Gefahren. Aber gut, er ist der Profi.
Tatsächlich scheint er aber den Überblick zu haben. Wir haben uns gerade geeinigt, dass wir ein Auto verfolgen, und gleich fällt ihm ein, dass wir unser Auto dringend näher heranfahren sollten. Ich mache mich also auf dem Weg und parke meinen wunderschönen Honda auf der Zufahrtsstraße. Zwei Trolle verlassen das Haus und fahren los. Francis Gale und Phoenix rennen zum Auto und sind quasi gerade eingestiegen als die beiden uns im Vorbeifahren zu winken. Nette Leute, aber was zum Teufel. Ich sehe aus wie Phoenix (hatte ich gar nicht erwähnt). Und Phoenix hat seinen Helm auf. Ja, ich auch. Und Francis Gale hat tatsächlich eine Strumpfmaske auf dem Kopf.
(im Nachhinein gibt es immer einen Wendepunkt einer Geschichte. Der Vorläufige war sicherlich dieser Moment)
Was für ein verflucht schlechtes Timing. Aber es hilft nichts. Ran ans Steuer und heimlich hinterher. Es ist eine heimliche Verfolgungsjagd wie sie im Buche steht. Perfekt halte ich das Auto im Abstand hinter den Unbekannten. Doch was ist das???????
Das Auto wird plötzlich zum Anhalten gezwungen und verriegelt. Eine Kontrolle angekündigt. Alle fluchen. Phoenix meckert über mein Autofahren. Und nicht mal zwei Minuten später sehen wir die Sirene. Phoenix und Francis Gale setzen sich nach hinten. Ein Polizist kommt direkt zu meiner Scheibe und da warten hinten tatsächlich noch zwei andere. Wir sind hier mitten auf dem Land, was macht Knight Errant hier zu dritt im nirgendwo und ist so schnell da? „Guten Abend Officer“. Ja, ich habe versucht zu lallen, aber ich merke gleich: diese Geschichte der spaßigen Abendfahrt mit neuen Bekannten, das durchschaut dieser überraschend smarte Polizist. Aber ich wäre nicht Ziggler, wenn ich nicht noch eine Geschichte parat hätte. Und eigentlich ist diese gar nicht so weit von der Wahrheit entfernt.
„Herr Officer, ok ok, das stimmt so nun nicht ganz, aber die Geschichte ist uns wirklich peinlich. Ich und meine Freunde (ja, ich hätte daran denken können, dass der Errant-Typ diese bisher noch gar nicht bemerkt hatte). Wir sind Priester im Orden des heiligen Sylvesters und dieser Abend ist fürchterlich schief gelaufen. Wir haben zu viel getrunken, eine absolute Sünde. Gibt es einen Weg wie wir mit einer Verwarnung davonkommen. Ich weiß auch nicht richtig, was wir eigentlich gemacht haben sollen.“
Und ich hätte ihn wirklich mit dieser Geschichte gehabt. Wäre da nicht dieses kleine wichtige Detail gewesen. Gleichzeitig wurde inzwischen Francis Gale auch gescannt.
„Eine wirklich schöne Geschichte. Aber sie passt leider nicht zusammen mit der Meldung, dass sie mit Helmen und einer Strumpfmaske an der Straße gesehen wurden. Wie erklären sie das?“
Verdammt, das hätte er auch gleich sagen können, dass es nicht um meine Fahrweise ging. Gleichzeitig nähert sich nun eine Polizistin der Tür von Phoenix. Hoffentlich hat er seine Waffe gut versteckt.
Aber der Polizist hat auch nicht mit meiner Wortbrillianz gerechnet. Aber auf diese Wendung gab es halt leider nur die eine Antwort.
„Wissen sie, natürlich habe ich eben nicht ganz die Wahrheit gesagt. Aber wir sind wirklich von der Kirche, umso schlimmer ist unsere geheime Neigung.“ Ich versuche rot zu werden und bin mir sicher es klappt. „Wir dachten, wir hätten uns einen stillen Ort gesucht im nirgendwo, aber irgendwer muss uns gesehen haben. Bitte melden sie uns nicht. Unser Leben wäre damit nichts mehr wert.“ Leider hatte Francis Gale diese wunderbare Vorstellung nicht richtig gehört, denn auf einmal wie von der Tarantel gestochen, und tatsächlich hatte es Phoenix vorher geschafft die Waffe gut zu verstecken, kotz er einfach aber auch wirklich komplett die Rückbank voll. Allerdings war beides zusammen wohl einfach zu viel für den Polizisten.
„Hören sie, ich weiß nicht was sie hier wirklich wollten und ob Ihre Geschichte stimmt. Ich verwarne sie hiermit. Lassen sie sich in dieser Gegend erst einmal nicht mehr blicken.“ Ich glaube, meine Danksagung war etwas zu euphorisch.
Da wir drei Tage Zeit für den Auftrag haben, war der Entschluss schnell gefasst eine Nacht nichts zu tun. Nichts ist relativ. Denn Phoenix und Francis Gale redeten mit dieser KI und überredeten sie doch tatsächlich mitzukommen und uns zu helfen. Mir ist das tatsächlich immer noch sehr unheimlich. Aber die beiden beschwichtigten mich und sahen keinen Grund, dass sie einfach verschwindet.
Seattle, 10.08.2076, 20:10 Uhr
Am übernächsten Abend ging es dann wieder zurück. Diesmal etwas besser ausgestattet, denn tatsächlich schaffte es die KI, die Videokameras so auszuschalten, dass ein altes Bild gezeigt wurde. Eigentlich stimmt das nicht. Sie hat uns gesagt, dass es so ist.